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Mittwoch, 23. Januar 2013

Phantasiereisen: Ein Ausflug in die englische LARP-Szene. Teil I: Das Vorgeplänkel

Hallo, ihr Lieben!

Long time, no see, und, sein wir mal ehrlich: Ich schaffe es weniger, als ich gerne möchte, diesen Blog zu updaten und wenn ich es tue, ihn auf dem Mode-/Make-Up-/Alltagsthemen-Niveau zu halten, das ich am Anfang angestrebt habe. Deswegen werden die Traumtanzgedanken hiermit zweckentfremdet. Oder, eigentlich nicht, denn es ist nach wie vor mein Blog und ich schreibe, worüber ich möchte. In diesem Falle über etwas, das in meinen Augen sogar interessant und vielleicht hilfreich ist. Es geht um meinen Ausflug in die englische LARP-Szene.

LARP? Was zur Hölle ist LARP?

Ich stütze mich hier mal auf die recht hilfreiche Erklärung des Larp-Wikis:

LARP heißt live action role playing (game), kurzum es ist ein Rollenspiel, das nicht im Kopf, sondern live, d.h. in der realen Welt, stattfindet. Die wörtliche deutsche Übersetzung des Begriffs "LARP" ist einfach "Live-Rollenspiel". Da sich die Wenigsten darunter auf Anhieb etwas vorstellen können, gibt es einige Umschreibungen wie z.B. "Improvisations-Charakterspiel" oder "historisches Laientheater".
Der Spieler verkörpert dabei eine Rolle ("Charakter"), indem er sich seiner Spielfigur entsprechend schminkt, kleidet, verhält und mit den anderen Spielern auf der Veranstaltung interagiert. Auf einem bestimmten Gelände bietet ein Veranstalter den LARPern gegen Entgelt die Möglichkeit, i.d.R. selbst erfundene Charaktere auszuspielen und auszuleben. Der Veranstalter sorgt für einen 'lebendigen' Hintergrund und Plots (d.h. Abenteuer, die erlebt werden können). Eigentlich geht es bei diesem Hobby nur um eines: Spaß! Umstritten ist, ob Larp als Kunstform gilt. Dafür spricht, dass es dem Improvisationstheater ähnlich ist und jedem begeisterten Laiendarsteller die Möglichkeit gibt, sich mit Rollen auseinander zu setzen und die durchgängige Darstellung von Charakteren zu trainieren. Im Unterschied zum Theater bekommen die Spieler Ihre Handlungen nicht vorgegeben, sondern sie sind in ihren Entscheidungen frei. Weiterhin findet die Spielhandlung nicht zur Unterhaltung eines zahlenden, passiven Publikums statt, sondern alle Teilnehmer nehmen aktiv am Spielgeschehen teil.
Wer jetzt denkt "wtf?", keine Sorge, dachte ich am Anfang ehrlich gesagt auch. Tatsächlich ist LARP aber ein Hobby, das durchaus einen großen Reiz bietet.

Erwachsene Menschen, die sich mit Schaumstoffwaffen prügeln und sich Latexohren ankleben?

Genau das. Aber auch erwachsene Menschen, die sich in Situationen ausprobieren können, in die sie normalerweise niemals kämen. Ich habe selten so viel über mich, meine Fähigkeit und manchmal komplette Unfähigkeit zur Diplomatie und Gesprächskultur gelernt, wie als ich nachts um zwei versucht habe, ein Staatenbündnis zu retten. Zum dritten Mal. Ich komme an meine Grenzen, wenn ich sechs Tage zelte, egal, bei welchem Wetter, und am Abend die Spinnen aus meinem Schlafsack sammeln muss. Vor denen ich unter jedem anderen Umstand schreiend aus dem Zimmer flüchten würde. Aber da ist nunmal kein Zimmer und irgendwie ist selbst das dann egal. Und das finde ich toll. Das ist der Grund, warum ich dieses Hobby auch nicht aufgeben oder auf Eis legen wollte, als ich nach England gezogen bin. Und weswegen ich jetzt das hier schreibe.

Erster Schritt: Man finde ein Event, und eine Gruppe

Am Anfang erschien mir diese ganze Idee ehrlich gesagt ein wenig unrealistisch. Immerhin bin ich als Studentin hier, und es ist weder einfach, eine vernünftige Gruppe ohne den richtigen Anschluss zu finden, noch, auf ein Event zu kommen, ohne Auto, Ahnung oder vernünftige Ausrüstung.

Im Sommer letzten Jahres stieß ich auf dieses Interview im Blog von Live Adventure, einem professionellen deutschen LARP-Veranstalter. "Dieses Empire klingt spannend", dachte ich mir. Also gab ich mir Mühe, ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben. Das war vielleicht ein Glücksfund, ist aber keine schlechte Technik: Man schaue, welche Veranstalter es gibt, und welche Verbindungen die vielleicht haben. Denn, wie eigentlich jeder inzwischen weiß: Networking ist wichtig. Das gilt auch im Hobby.

Für mich kam noch ein zweiter Glücksfall dazu: Meine Uni besitzt eine Geek Society. Eine Society ist an sich eine Art AG/Zusammenschluss von Studenten, von der Uni in gewissem Maße gefördert, die sich einem bestimmten Thema widmet. In diesem Glücksfall: Allgemeinem Geek- und Nerdtum. Many a pint später hatte ich die Larper der Gruppe gefunden und irgendjemand fragte mich: "Hey, wanna come to Empire?" Ziel erreicht, Gruppe gefunden.

Geek Societies gibt es übrigens an zahlreichen englischen Unis, es gibt sogar eine nationale Meisterschaft jedes Jahr, in der sich die GeekSocs in gutem Rollenspiel (Pen & Paper, LARP, Tabletop) messen. Ich bin dieses Jahr dabei und werde berichten.

Zweiter Schritt: Planungstreffen, Sprachbarrieren und "holy shit, rules!"

Die Gruppe, in die ich mich mehr oder weniger eingefunden habe, scheint eine sehr aktive zu sein. Ich habe es zumindest vorher noch nie erlebt, dass wir Monate vor dem Event Planungstreffen abhalten und mein Charakterkonzept steht, bevor überhaupt alles Material über das Setting da ist. Ich bin normalerweise mehr eine Last-Minute-Bauerin. Wie dem auch sei: Unser erstes Planungstreffen für das Event, das Ende März stattfindet, war letzte Woche. Im Januar. Und schon dort wurden detailliert Charakterbauoptionen besprochen, um möglichst viele Bereiche abdecken zu können, etc. Es existieren zahlreiche Facebookgruppen inzwischen, nicht nur offizielle (für das gesamte Event, für die einzelnen spielbaren Nationen etc.), sondern auch inoffizielle zur Planung. Mir kommt das alles reichtlich früh vor und ich sehe da einen der großen Unterschiede. Auf der anderen Seite habe ich noch nie wirklich ausführliches Kampagnenspiel betrieben und es ist einfach nur eine andere Art.

Zum Thema Kampagnenspiel noch ein interessanter Unterschied: Während die professionellen Großcons in Deutschland über mehr als eine Woche hinweg im Sommer/Spätsommer stattfinden und höchstens ein- oder zwei Randevents zu anderen Jahreszeiten bieten, sind die englischen Cons, zumindest die des Veranstalters, auf die ich gehe, anders angelegt: Empire bietet vier Events pro Jahr, jeweils an einem (verlängerten) Wochenende. Der gleiche Veranstalter hat noch eine zweite Reihe von Cons, Odyssey, die ebenfalls vier oder fünf Termine hat. Das Spielgeschehen ist also wesentlich mehr aufgespalten und das Spiel zwischen den Events zwischen den Fraktionen wird wichtiger. Ich finde das sehr interessant und bin gespannt, wie sich das auf meine Gruppe auswirkt.

Zurück zum Titel: Das erste Planungstreffen ist also geschafft. Und eines fällt immer wieder auf: Englisch sprechen ist die eine Sache. Im Alltag, in der Uni, das ist etwas, das lernt man in der Schule. Englisch sprechen im LARP-Kontext ist etwas ganz anderes, und das sage ich als jemand, der das eigentlich macht. In Deutschland. Aus pädagogischen Gründen. Ich glaube, ich bin noch nie so oft über Worte gestolpert, wie in diesem Zusammenhang. Und das, weil mir partout nicht einfallen will, was zur Hölle jetzt "Waffenrock" heißt. Oder "Handeisen". Oder wie ich über Charakterkonzepte, allegiance, alignment, was auch immer spreche. Was mich zu einem weiteren, für mich sehr positiven Aspekt des LARPs bringt: Ich lerne mal eine ganz andere Art von Englisch zu sprechen. Mir graut es etwas vor dem Event selbst. Brb, Vokabeln lernen.

Und die Regeln. Wer in Deutschland larpt, kennt die gängigen Systeme: DragonSys, Conquest, Du Kannst, Was Du Darstellen Kannst (DKWDDK). Empire, oder der Veranstalter, Profound Decisions, hat ein etwas anderes System. Und plötzlich jongliere ich persönliche Ressourcen, Fertigkeits- und Heldenpunkte, dazu sehr interessante Waffenregeln und ich weiß immernoch nicht, ob ich es ganz geblickt habe. Auch wenn ich die Regelung, dass eine Waffe unter 106cm keine Waffenfertigkeit erfordert. Gibt mehr Punkte in anderen Bereichen.... ich schweife ab. Was ich sagen will: Die Regelsysteme sind anders und ich bin auf die Umsetzung sehr gespannt.

Dritter Schritt: Ich hab nix anzuziehen!

Das ist vielleicht mein größtes Problem in dieser ganzen Geschichte. Als ich nach London gezogen bin, hatte ich zwei Koffer. Mein Schrank fasst gerade mal die notwendigsten Dinge zum täglichen Bekleiden (und ich würde Jeans und T-Shirt als meine Standardkleidung beschreiben). Ich konnte es mir trotzdem nicht nehmen lassen, eine Gewandung mitzunehmen und das würde ich jedem empfehlen, der im Ausland larpen möchte. Vielleicht ist es die wandelbarste. Oder die, die man am meisten mag. Für mich ist es eine Mischung aus beidem und macht es mir jetzt einfacher. Ich muss trotzdem meine nächsten Besucher bitten, mir Sachen mitzubringen. Meine Rüstung zum Beispiel. Und mein Schwert. Und die Bluse, die ich dummerweise beim ersten Mal vergessen habe. Aber prinzipiell reicht eine gute Gewandung für die meisten Sachen aus.

Ein weiteres Problem stellt sich im Einkauf: Vielleicht gibt es vernünftige LARP-Versandshops in England. Aber wenn das so ist, habe ich sie noch nicht gefunden. Die Dinge, die verkauft werden, sind von den Standardherstellern, aber bedeutend teurer. Und die Versandkosten nach England aus den deutschen Shops sind horrend. Das ist durchaus ein Problem, das ich auch noch nicht ganz geklärt habe.

Bist du jetzt fertig mit rumnerden?

Ja. Bin ich tatsächlich. Soweit mein erster Teil von "LARP in England oder: LARP nicht-zuhause". Das Event selbst ist übrigens vom 28. März bis 1. April und wer das hier liest und da gerade ein Problem in meiner Planung entdeckt, nein, ein Tag, an dem man irgendwie den Kanal überbrücken muss reicht vollkommen zwischen Cons. Im nächsten Teil beschäftige ich mich vermutlich eingehender mit Gewandung, deren Einkauf und der Logistik dieser ganzen Sache, denn momentan habe ich zwar einen Zeltplatz, aber weder Schlafsack, noch Feldbett, noch sonst irgendwas. Ich hoffe, ich konnte ein wenig hilfreich sein. Und wen ich jetzt abgeschreckt habe... der liest ohnehin nicht bis zum Ende.

Bis zum nächsten Mal!

Copyright Profound Decisions

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